Prolog
Die Zeit um Weihnachten herum ist eine Beschauliche.
Sehr zur Freude aller, aber wie das im Leben eben so ist, jedes Ding hat zwei Seiten.
Als Karateka, zumindest als solcher, welcher der gleichen Kategorie angehört wie ich selbst, wird man in der beschaulichen Zeit vom inneren Schweinehund heftig bedrängt, und in die Ecke getrieben sucht man Rettung in hingebungsvollem Genuß von Weihnachtsgebäck, Glühwein, Festtagsbraten, Dominosteinen, aber wem erzähle ich das.
Ich schweife ab, wir waren bei den zwei Seiten.
Die Zweite meldet sich rachelüstern spätestens dann, wenn man sich um den Jahreswechsel herum für den ersten Karate-Lehrgang des neuen Jahren zu entscheiden hat, ahnend, dass die Vernachlässigung der Kondition und die dazugekommene Leibesfülle ihren Tribut fordern werden.
Aber alle böse Ahnung hilft nichts, eine Entscheidung muss getroffen werden.
Wir entschieden uns für den Lehrgang von Ochi Shihan in Tamm.
Am Ende des Freitag-Trainings, also am Vorabend des Lehrganges, besprachen wir uns über den Punkt "Wer fährt mit wem zu welchem Lehrgang" und als Ergebnis kam heraus, unser Vorstand Michael, unser Cheftrainer Günter, sowie Georg, Alex, Matze, Karin und ich werden gemeinsam den Lehrgang von Ochi Shihan besuchen.
Die Ankunft
Ich habe es mir zur Regel gemacht, dass ich immer, wenn es irgendwie geht, am Lehrgang von der ersten Stunde an teilnehme. Erstens hat man am Anfang noch ein wenig Zeit, liebe Bekannte zu begrüßen, und zweitens bleibt mir nur die Zeit zum Photographieren, während die andere Gruppe trainiert.
Das Training der Unterstufe
Der Lehrgang von Ochi Shihan war, wie in Tamm üblich, äußerst gut besucht, die Oberstufe bestand in etwa zur Hälfte aus Schwarzgurten, in der Unterstufe gab es erfreulich viele teilnehmende Weißgurte. Es ist einfach großartig, diesen kleinen und kleinsten Menschen dabei zuzusehen, mit welchem Eifer sie sich auf den beschwerlichen und hoffentlich langen Weg des Karate begeben.
Aber auch das zarte Alter ist kein Garant dafür, ungeschoren Links mit Rechts verwechslen zu dürfen. Ochi Shihan ahndete solche Verfehlungen mit einem leichten Schnipper seines Finger gegen die Stirn des Übeltäters, meistens jedoch hatte er für den Nachwuchs eine helfende Hand.
Das Training der Oberstufe
Die erste Trainingseinheit der Oberstufe brachte zuerst nichts wesentlich Neues, es stand Kihon auf dem Programm, inklusive der Spezial-Shuto-Uke-vorwärts-rückwärts-Drehungen, mittlerweile haben diese für mich ihren Schrecken verloren, das aber wurde auch langsam Zeit.
Allerdings, und mir scheint es wird bei vielen Trainern wieder beliebter, wurde gegen Ende der Einheit im Kumite vermehrt auf Trainingsformen, die den Übergang zum Freikampf üben, gesetzt.
Wir übten Kumite in folgender Reihe:
1. Gohon Kumite
2. Kihon Ippon Kumite
3. Kihon Ippon Kumite mit freier Wahl der Reihenfolge der Angriffe
Der Angreifer greift 3 mal an, der Angriff wird durch Ansage von "eins", "zwei" und "drei" angekündigt, der Verteidiger weiß, dass jetzt der Angriff erfolgt, jedoch nicht mit welcher Technik.
4. Wie oben, jedoch wird jedesmal nach dem Block und Konter übergangslos für 2 bis 3 Techniken in den Freikampf gewechselt.
Besonders die letzte Kumite-Form hat mir besonders gut gefallen und ich war damit in guter Gesellschaft. Im Kampfeseifer wurde meistens die Begrenzung auf 2 bis 3 Techniken vergessen und bis zum Yame der Freikampfmodus beibehalten, nach einigen Partnerwechseln kam man spätestens jetzt in's Schwitzen.
Die willkommene Mittagspause wurde zur Wiederherstellung des Flüssigkeitspegels sowie dem Nachladen der Enegiespeicher genutzt.
Die zweite Trainingseinheit dauerte nur 1 Stunde und war beinahe ganz der Übung von Kata gewidmet, wir durften zeigen, in welchem Maße wir die Heian Kata, Tekki Shodan sowie alle Sentei Kata beherrschen, und weil danach immer noch etwas Zeit übrig war, gab es eine weitere Runde Jiyu Kumite und eine letzte Runde Freikampf, mit der Besonderheit, dass jede Angriffstechnik ohne Absetzen 3 mal hintereinander ausgeführt werden musste.
Das Ergebnis
Wessen Gi jetzt immer noch trocken war, muss etwas falsch gemacht haben.
Oss!
Günther