Großer Meister unter seinen Lehrlingen
Ein Bericht von Melanie Schweinfurth des Darmstädter Echo anlässlich eines Lehrgangs mit Sensei Ochi in Dieburg:
DIEBURG. Mit Großmeister Hideo Ochi hatte der Dieburger Karateverein am Wochenende einen der namhaftesten Karatelehrer für einen ganztägigen Lehrgang gewonnen. 150 Karateschüler aus ganz Deutschland kamen dazu in die Schlossgartenhalle.
Inmitten der etwa 60 weiß gekleideten Karatesportler muss man Shihan Hideo Ochi erst einmal suchen. Zwar erfüllt seine kräftige, volltönende Stimme die Dieburger Sporthalle. Doch der japanische Karate-Großmeister ist ein paar Zentimeter kleiner als die meisten seiner deutschen Schüler, trägt ebenfalls Weiß und hat die Angewohnheit, sich gern unter seine Lehrlinge zu mischen. So geht er in der Menge optisch fast unter.
Klein und drahtig mit mildem Lächeln
Nach einigen Minuten, in denen er hier eine Haltung korrigiert, dort eine Bewegung vorgeführt hat, kommt Hideo Ochi dann doch zum Vorschein. Der Vierundsiebzigjährige sieht genauso aus, wie man sich einen Kampfkunst-Großmeister (japanisch „Shihan") vorstellt: klein und drahtig, mit grauem, spitz zulaufendem Kinnbart und einem freundlich-milden Lächeln, das sich in zahllosen Fältchen verliert.
150 Karatesportler sind am Samstag zum Lehrgang beim ehemaligen Bundestrainer, Weltmeister und Träger des achten Dan in die Schlossgartenhalle gekommen. Eingeladen hatte der Dieburger Karateverein, dessen Vorsitzender Richard Grasse stolz ist, einen der weltweit namhaftesten Lehrer nach Dieburg geholt zu haben. „Ich kenne Ochi seit 20 Jahren, habe selbst Lehrgänge bei ihm besucht und Prüfungenabgelegt", erzählt Grasse.
Dass einige Teilnehmer mehrere hundert Kilometer zurückgelegt haben, um für einige Stunden bei Hideo Ochi zu trainieren, wundert ihn nicht. „Bei ihm zu lernen, ist etwas ganz Besonderes. Er schafft die optimale Balance zwischen Anspannung und Gelöstheit, zwischen Kraft und Ruhe."
Das sieht auch Birgit Hofmann so, die mit ihrem Partner Johannes Woskowski aus Eschborn gekommen ist. Hofmann hat vor kurzem den zweiten Dan abgelegt, gehört also bereits zur Riege der Meister.
Ziel ist es, einen eigenen Weg zu finden
Für sie geht es nicht mehr alleine den Sport. „Ich habe vor 25 Jahren mit Karate angefangen", erzählt sie. „Sobald man die Ebene des Dan erreicht, geht es darum, das Gelernte zu vertiefen, einen eigenen Weg zu finden." Die Erkenntnisse aus dem Karate hätten auch Einfluss auf ihren Alltag. „Man wird aufmerksamer und begegnet sich selbst und anderen mit mehr Achtsamkeit."
Auf der gleichen Stufe wie Birgit Hofmann ist Simone Kühnle aus Harpertshausen. Sie hat schon als Zehnjährige bei Richard Grasse die ersten Karatestunden genommen. Die „japanischen Momente" in den Lehrgängen des Großmeisters seien schwer zu erklären. Lebendig und praxisnah seien die Kurse bei ihm. „Er ist einfach außergewöhnlich", sagt Kühnle und fügt an: „Unter Karatesportlern ist es wie ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn Ochi ruft, kommen wir alle."
Bericht & Foto: Melanie Schweinfurth