22.03 - 23.03.2014
Füssen

DJKB Instructor Sensei Toribio Osterkamp in Füssen, Teil 2: Der Lehrgang

Dojo Training & Karate Lehrgang mit Sensei Toribio Osterkamp im Schatten von Schloss Neuschwanstein

Teil 2: Der Lehrgang

Nachdem ich mit Ingo und Thomas noch nachts bis halb drei gefachsimpelt hatte, ging es morgens zur ersten offiziellen Trainingseinheit des Lehrgangs. In der Unterstufeneinheit begann Sensei Toribio mit einigen interessanten Aufwärmübungen, die schon für ordentlichen Schweißfluss und schnelleren Atemrhythmus sorgten. Im Kihon ließ der Sensei dann Einzeltechniken quasi auf der Stelle üben: das hintere Bein sollte immer wieder an das vordere herangezogen werden, dann erfolgte ein Standbeinwechsel und das andere Bein wurde nach hinten weggesetzt. Dabei legte Sensei Toribio natürlich besonderes Augenmerk darauf, dass das jeweilige Standbein stets gebeugt und die Höhe beibehalten blieb.

In der Oberstufeneinheit ließ Sensei Toribio uns nach einem intensiven und funktionalen Aufwärmprogramm zunächst einige kurze Techniksequenzen als Kihon absolvieren: aus Gedan Kamae Angriff mit Mae Geri, vorne absetzen mit Gyaku Tsuki; danach aus Shizentai linkes Bein zurück in Zenkutsu Dachi mit Gyaku Gedan Barai, anschließend einen ganzen Schritt vor in Zenkutsu Dachi mit Age Uke. Als nächstes sollten wir dann aus Gedan Kamae mit Oi Tsuki angreifen, dann einen ganzen Schritt zurück mit Jodan Age Uke und wieder einen Schritt vor mit Age Uke. Nachdem wir die Kombinationen einige Male trainiert hatten, gingen wir zum Partner und wir trainierten die Kombinationen in Form des Kihon Ippon Kumites. Tori sollte mit Chudan Mae Geri angreifen und im Absetzen Jodan Gyaku Tsuki machen. Uke setze das linke Bein zurück und blockte den Mae Geri mit Gedan Barai in Gyaku Hamni. Der gleiche Arm wehrte dann den Jodan Gyaku Tsuki mit Jodan Shuto Age Uke ab. Mit der offenen Hand griff Uke dann den Arm des Partners, der zweite Arm unterstützte den Griff, dann ging Uke vor, drehte sich in den Partner hinein und zog mit beiden Armen den verdrehten Arm des Partners über die Schulter und hebelte das Ellbogengelenk nach unten. Nachdem man erst mal die richtige Drehrichtung heraus hatte, machte es einen Heidenspaß, den Partner auszuhebeln ein bisschen leiden zu lassen!

Als nächstes griffen Tori mit Jodan Oi Tsuki an. Uke ging aus Shizentai rechts zurück in Zenkutsu Dachi mit Jodan Age Uke. Als Gegenangriff machten wir dann einen ganzen Schritt vor mit Jodan Age Uke, wobei unser Unterarm gegen den Hals bzw. Kehlkopf des Partners gedrückt wurde. Mit der Hikite-Bewegung des Gegenarms kontrollierten wir den Arm des Partners und zogen uns quasi noch in ihn hinein. Vorsichtig tasteten wir uns an die Aufgabe heran. Aber nach einigen Versuchen klappte es schon ganz ordentlich und wir fanden regelrecht Gefallen daran, unserem Partner den Hals zu verrenken!

Diese Übung erweiterten wir dann noch: Bei dem Gegenangriff mit Age Uke sollte der Verteidiger sich nun ganz bewusst weiter in den Partner hinein ziehen und sein vorderes Bein unter den Schwerpunkt des Partners setzen. Dann erfolgte von Uke ein Griff an die Kehle und mit einer Drehbewegung wurde der Partner geworfen. Dabei erwies es sich als vollkommen ausreichend, den Kehlkopf des Partners lediglich mit zwei Fingern zu umfassen. Der Griff an der Kehle sollte beibehalten werden und der zu Boden gegangene Partner dann mit dem Knie auf den Rippen am Boden fixiert werden. Den Partner nicht loszulassen, wenn man ihn zu Boden geworfen hatte, fiel uns dabei merklich schwer, sind wir es doch gewohnt, nach einem Ashi Barai einen finalen Tsuki anzubringen. Auch das Herabdrücken mit dem Knie erwies sich als sehr wirkungsvoll, wie das ein oder andere schmerzhafte Aufstöhnen der Geworfenen erahnen ließ.

Zum Abschluss der Einheit holte uns Sensei Toribio zum Mondo zusammen. Seine erste Frage war: „Welche Kata?“ „Bassai Sho!“, „Bassai Dai!“ lauteten die Antworten. Ein Lächeln umspielte das Gesicht des Senseis, als er uns dann verkündete „Heian Shodan“. Wir hatten uns gut anderthalb Stunden mit Anwendungen zur Heian Shodan-Sequenz rund um das erste Kiai beschäftigt und kaum einer hatte bemerkt! Die Botschaft war klar: Denkt nicht nur an hohe Kata und Freikampf, an Prüfungen und Wettkämpfe. Beschäftigt Euch mit den Basics! Auch die vermeintlich einfachen Kata oder auch Kihon-Übungen beinhalten mehr, als wir auf den ersten Blick sehen. Die intensive Beschäftigung mit den Basics, deren Verständnis und das permanente Trainieren eben dieser fundamentalen Elemente lassen unser Karate zu einem Lebensweg werden und nicht nur zu einer temporären Begleiterscheinung!

Nach einem kleinen Mittagsimbiss ging es in der zweiten Einheit der Oberstufe mit Partnerübungen weiter. Kaeshi Ippon Kumite hatte Sensei Toribio für uns vorgesehen – allerdings nicht in der herkömmlichen Art und Weise. Wir begannen mit Chudan Ren-Choku-Tsuki in Shizentai. Tori griff dann nach dem zweiten Tsuki sofort mit Jodan Oi Tsuki an. Uke wich aus, blockte mit Age Uke und griff dann seinerseits mit Jodan Oi Tsuki an. Tori gingen zurück in Zenkutsu Dachi mit Age Uke und konterten dann Gyaku Tsuki. Nach diesem Muster absolvierten alle Angriffe aus dem Kihon Ippon Kumite: Jodan Oi Tsuki, Chudan Oi Tsuki, Chudan Mae Geri, Chudan Yoko Geri Kekomi. Uke sollte jeweils mit Tai Sabaki ausweichen und blocken: den Jodan Oi Tsuki mit Age Uke, wie oben beschrieben; Chudan Oi Tsuki sollte mit Chudan Soto Uke geblockt werden. Dem Gegenangriff sollte Tori dann mit Herausgleiten ausweichen, mit Uchi Uke blocken und Gyaku Tsuki kontern. Den Mae Geri wehrte Uke mit Herausgleiten und Gedan Barai ab, während Tori den dann folgenden Gegenangriff mit Tai Sabaki und Nagashi Uke abwehrte, bevor er mit Gyaku Tsuki konterte. Der Yoko Geri Kekomi wiederum musste von Uke mit Tai Sabaki und Nagashi Uke oder Soto Uke, je nach Höhe der Keris geblockt werden. Ukes Yoko Geri wurde dann von Tori durch Herausgleiten und Gedan Barai abgewehrt, gefolgt von Gyaku Tsuki als finalen Konter.

Obwohl wir es „nur“ mit einer Abwandlung des Kihon Ippon Kumites zu tun hatten, fiel es uns schwer, die Erwartungen des Senseis zu erfüllen. Im Mondo am Ende der Einheit brachte er klar zum Ausdruck, dass er das Kaeshi Ippon Kumite als wichtigen Zwischenschritt zum Freikampf ansieht und er sich wünschte, dass es regelmäßiger trainiert würde.

Im Kaeshi Ippon Kumite wird vor allem das schnelle Umschalten von Verteidigung auf Angriff und das konsequente Nachsetzen trainiert. Und das sind unverzichtbare Voraussetzungen für erfolgreiches Kämpfen. Nur das konsequente Training der verschiedenen Kumiteformen führt letztlich dazu, dass wir als Karateka auch den freien Kampf, ganz egal ob Shiai, Training oder Straße, beherrschen lernen.

 

Nach der letzten Trainingseinheit des Tages fuhren wir dann noch ins Dojo, um von dem anstrengenden Trainingstag zu entspannen und ein erstes Resümee in der Sauna zu ziehen. Für den Abend hatte Thomas Kölling dann ein bayerisches Büffet organisiert. Stilecht erschienen er in krachlederner und seine Claudia im Dirndl! Allerdings waren sie nicht die einzigen, die im „bayerischen Gala-Outfit“ auftauchten. Wir Nordlichter waren da etwas legerer gekleidet. Doch auch weniger stilecht ließen wir uns das bayerische Büffet schmecken und glichen unseren Flüssigkeitshaushalt durch den heimischen Gerstensaft aus. Während des gemütlichen und ausgedehnten Essens kam es selbstverständlich zu reger Fachsimpelei mit Sensei Toribio und auch untereinander. Anregende Gespräche über Trainingsinhalte und –konzepte, Anekdoten und Erlebnisse aus langjährigem Karatetraining sorgten auch über Sprachgrenzen hinweg für einen tollen Abend. Einige hielt es dann nicht mehr auf den harten Bänken und sie inszenierten spontan ein kleines Kickerturnier, an dem sich auch Sensei Toribio beteiligte. Ingo Beckmann, Andrea Haeusler, Armin Nüssel und Sensei Toribio kickerten sich die Seele aus dem Leib. Lautstarke Anfeuerungsrufe schallten durchs gesamte Lokal und mit mindestens dem gleichen Feuereifer wie zuvor in den Trainingseinheiten, wurde nun am Kickertisch gearbeitet. Gewonnen hat dann übrigens das Team Toribio-Ingo. Spaß gemacht hatte es aber allen, auch den Zuschauern!

Am Sonntag stand dann noch eine letzte Trainingseinheit an. Unter- und Oberstufe trainierten gemeinsam. Wieder starteten wir mit einem funktionellen Aufwärmprogramm, in dem Sensei Toribio mit unglaublicher Gelenkigkeit und Balance beeindruckte: auf einem Bein stehend, griff die Außenkante seines angewinkelten Beins und streckte es „locker“ zu einem Jodan Yoko Geri – und er wackelte dabei nicht ein bisschen!

Auf Betriebstemperatur gebracht und gut vorbereitet, legten wir dann mit der Heian Shodan los. Nachdem wir sie ein paar Mal absolviert hatten, erhöhte Sensei Toribio den Schwierigkeitsgrad und fügte zu jeder Technik einen Mae Geri hinzu. Danach ergänzte der Sensei um einen zusätzlichen Kizami Mae Geri. Die Oberstufe durfte dann zunächst mit Kizami Mae Geri und Mawashi Geri ergänzten, während die Unterstufe weiterhin die beiden Mae Geris ausführte. Nachdem wir uns einige Male durch die Kata gekämpft hatten, hatte der Sensei noch ein besonderes Bonbon für die Oberstufe: wir sollten den Mawashi Geri durch einen Ushiro Ura Mawashi Geri ersetzen. Nach den ersten Ausführungen korrigierte Sensei Toribio unsere verzweifelten Bemühungen um den komplizierten Tritt dahingehend, dass wir nicht versuchen sollten die Technik abzustoppen und mit der Sohle zu treffen, sondern den Tritt vielmehr durchzuziehen und mit der Ferse zu treffen.

Durch diverse Heian Shodan mit verschiedenen Fußtechniken schon reichlich ins Schwitzen gebracht, nahmen wir uns nun die restlichen Heian Kata vor – diese allerdings ohne zusätzliche Fußtechniken. Nach der Heian Godan beorderte Sensei Toribio dann die Schwarzgurte ach vor und ließ sie in einer Reihe vor allen anderen Aufstellung nehmen. „Jetzt die Sentai Kata. Jede nur einmal, aber stark!“ war die Ansage des Senseis. Also absolvierten wir Bassai Dai, Kanku Dai, Jion, Enpi und Hangetsu ohne Pause hintereinander. Man, am Ende war ich froh, dass wir nur fünf Sentai Kata haben!

Zum Verschnaufen hatte Toribio dann noch einige nette Kräftigungsübungen, die uns nochmal alles abverlangten: Kniebeugen mit geschlossener Fußstellung mit Partner und eine interessante Liegestützübung, bei der wir immer zwei Liegestütze ausführen sollten, dann über den Rücken rollen und in erneuter Bauchlage wiederum zwei Liegestütze absolvieren sollten. Danach ging es in die andere Richtung zurück. Jede Übung ließ uns der Sensei je eine Minute machen. Dann gab es eine kurze Pause und der nächste einminütige Satz der Übung wurde gestartet. Während ich die drei Sätze Kniebeugen noch sehr gut hinbekommen habe, bin ich am Ende des zweiten und vor allem des dritten Satzes der Liegestütze regelrecht „gestorben“. Hochdrücken aus der Bauchlage war am Ende absolut nicht mehr möglich! Tolle Übungen, die wir bestimmt in unser Trainingsprogramm aufnehmen und unsere Schüler leiden lassen werden. ;)

Als die Einheit zu Ende war, ging für uns auch ein unvergessliches Wochenende im Allgäu zu Ende. Ein toller Lehrgang bei Sensei Toribio Osterkamp mit insgesamt vier Trainingseinheiten, die jede einzelne den Weg nach Füssen wert waren. Besonderer Dank gilt selbstverständlich Thomas Kölling und dem Karate-Dojo Shinto Füssen für die tolle Organisation, die Gastfreundschaft und die große Leidenschaft, die zur erfolgreichen Ausrichtung eines solchen Lehrgangs gehören! Für uns wird es mit Sicherheit nicht der letzte Ausflug zu unseren Freunden nach Füssen gewesen sein. Und allen anderen kann ich nur empfehlen, sich diese einmalige Kombination von Karate auf höchstem Niveau, der Allgäuer Bergwelt und Training im Schatten der Königsschlösser nicht entgehen zu lassen!

Text: Torsten Uhlemann, KS Fuji San Münster 23.02.2014

 

Autor

Torsten Uhlemann
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